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LANDSCAPES : REMIXED

REMIX


To describe his work, Georg Küttinger borrows a metaphor from popular music. His large-format images are reminiscent of a remix, in reference to the art of rearranging a piece of music, reinterpreting it, and allowing listeners to experience it anew. Küttinger‘s images feature motifs that are disassembled into individual pictures. By focusing on particular rhythms, sequences, and aspects of representation, he condenses these individual pictures into a new image. In his work, multiperspectivity and synchronicity are paradigms for the creation of a new image realm. The process of perception is extended and manipulated, encoded or decoded, in relation to the surrounding environment. The newly created image meets the eye of the beholder as a reality to be constructed, rather than a photographed and captured scene. This reality refers to a system of interaction and its re-contextualized environment in space and time – similar to the world that sur- rounds us, yet achieving a new quality.


This notion is reminiscent of Kant‘s position that we as human beings are incapable of penetrating the thing-in-itself, that seeing does not enable scrutinizing the real world, but rather gazing upon the world based on our perception, memory, and employed terminology – or, seeing the meaning that is inscribed into the thing-in- itself.


Photography is the media most suitable for depicting the world in a given moment in an objective form. The photographs it creates exist as depictions of reality, regardless of whether we actually see them or not. Their „truth factor“ is based on the fact that the camera, a technical apparatus – other than our eyes or brains – comprises a „non-natural“, an „objective“ eye.


Georg Küttinger constructs his images by reassembling the motifs that were captured at different points in time from different perspectives into a new image. By doing so, he exemplifies what people do when they contemplate a scene: incapable of creating and preserving a static, changeless picture, we continually reassemble it and align it with memory, according to our perception. Light flashes upon surfaces, casts shadows. But in that single moment, it is a different light than a few minutes earlier. This is precisely what Küttinger‘s images reveal: upon first glance, we have the impression of seeing ONE photograph. At the same time, we recognize that different instances of perception are simultaneously present.


The image is permeated by different perspectives and temporal layers. As a result, perception itself becomes a technique. Similar to viewing a landscape in real life, what is seen needs to be compared with memory (albeit unconsciously), again and again. Küttinger‘s images convey individual scenes from memory in the form of simultaneous, entangled echoes. The scenes from memory are preserved within the photographic composite and refer to ambiguities as well as opportunities. They never lead to a simple (re-)cognition of a motif or a landscape in the manner of confirming or verifying it. Rather, they inspire us to engage in our process of perception as a conscious experience – a promise of interaction with the things we see. Viewing is constructing – and never simply states the obvious.
This experience „works“ because we can „exist“ in different places at the same time. We exist in the real-life space of physical matter. At the same time, we find ourselves in the imaginary realm of the image – or, as in the case of Küttinger‘s images – in different imaginary spaces and times, achieved by the depiction of numerous opportunities and perspectives that the artist invites us to experience. Being able to traverse space and time is, perhaps, the most human skill of all. To experience fictional worlds and – when contemplating a work of art – to empathize with the experiences of others, just as much.


This is precisely what Küttinger‘s work achieves: it progresses along the dividing line between (possible) image and (real) landscape. By abstaining from ideological and aesthetic manifestoes, it refers to the freedom of opportunity and the opportunity of freedom.
We can „read“ his work, as if it were a novel, dealing with the possibility of accessing images and their interpretations – as well as how we deal with them. By viewing Küttinger‘s work, we participate in his remix of images, and immerse ourselves within our own process of perception.




Vivien Baer, MA phil.


translated by
Dr. Mark Kammerbauer 


REMIX


Mit einer Metapher aus der Musik beschreibt Georg Küttinger seine Werke: So wie das remix ein Musikstück neu arrangiert, interpretiert und auf neue Weise erfahrbar macht, werden in Küttingers großformatigen Bildern die Motive in Einzelbilder zerlegt und dann in der Fokussierung auf bestimmte Rhythmen, Abfolgen und Darstellungsaspekte zu einem Bild verdichtet. Multiperspektivität und Synchronizität sind dabei die Paradigmen, die einen neuen Bildraum kreieren. Der Prozess der Wahrnehmung wird ausgedehnt und bearbeitet, chiffriert oder dechiffriert auf der Grundlage des Gegebenen. Das neu entstandene Bild begegnet dem Betrachter nicht als abgelichtetes, festgehaltenes Momentum, sondern als zu konstruierende Wirklichkeit, die - wie die uns umgebende Welt auch - auf ein Interaktionssystem und seinen Kontextraum verweist.


Kant glaubte, wir Menschen würden nie zu den Dingen an sich vordringen, das Sehen sei nicht das Sehen der realen Welt, sondern das Sehen der Welt durch unsere Vorstellungen, Erinnerungen und Begrifflichkeiten davon, das Sehen von Bedeutungen, die den Dingen eingeschrieben wurden.


Nun ist gerade die Fotografie das Medium, das die Welt in einem gegebenen Moment in seiner objektiven Form abzubilden vermag. Die so erstellten Bilder existieren als Abbild der Realität, unabhängig von unserer Wahrnehmungsleistung. Ihr „Wahrheitsfaktor“ beruht ja gerade darauf, dass die Kamera, ein technischer Apparat - anders als unser Auge und Gehirn - über ein „nicht-natürliches“, ein „objektives“Auge verfügt.


Georg Küttinger konstruiert seine Bilder, indem er dieselben Motive, die zu unterschiedlichen Zeiten aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommen wurden, zu einem Bild neu zusammensetzt. Damit zeigt er genau das, was der Mensch beim Betrachten eines Motivs macht: nicht imstande, ein statisches, unveränderbares Bild zu erzeugen und festzuhalten, muss das Bild andauernd neu zusammengesetzt, mit der Erinnerung und den Vorstellungen abgeglichen werden. Das Licht, das diese Fläche bescheint und einen Schatten wirft, ist nicht dasselbe, wie noch vor wenigen Minuten. Und genau das sehen wir in Küttingers Bildern: haben wir auf den ersten Blick den Eindruck EIN Foto zu sehen, so merken wir sogleich, dass hier unterschiedliche Wahrnehmungsmomente zur gleichen Zeit vorliegen. Das Bild ist mit verschiedenen Perspektiven und Zeitebenen durchzogen. Somit wird die Wahrnehmung selbst zur Technik. Wie beim realen Betrachten einer Landschaft das Gesehene stets mit der Erinnerung (unbewusst) abgeglichen werden muss, so transportieren Küttingers Bilder die einzelnen Erinnerungsbilder als Echo zeitgleich neben- und ineinander. Die Erinnerungsbilder werden auf dem Foto konserviert und verweisen auf Vieldeutigkeiten und Möglichkeiten. Die Bilder führen so nie zu einem bloßen (Wieder-)Erkennen eines Motivs oder einer Landschaft im Sinne einer bestätigenden Verifizierung, sie animieren vielmehr dazu, sich auf das bewusste Erleben unseres Wahrnehmungsprozesses und damit auf die Interaktion mit dem Angeblickten ein- zulassen. Das Schauen ist Konstruieren - es verharrt niemals im Konstatieren.


Das „funktioniert“, weil wir Menschen die Fähigkeit haben, an verschiedenen Orten gleichzeitig zu sein. Wir stehenan einem realen Ort und befinden uns gleichzeitig in dem imaginierten Raum des Bildes - oder im Falle der Bilder Küttingers - in verschiedenen imaginären Zeiten und Räumen, in der Darstellung mehrerer Möglichkeiten und Perspektiven, in die uns der Künstler einlädt. Vielleicht ist das die menschlichste unserer Fähigkeit, uns in andere Räume und Zeiten zu versetzen, uns in fiktiven Welten zu sehen und - im Falle eines Kunstwerks - die Wahrnehmung des Anderen mitzuvollziehen.


Küttingers Werke bewegen sich auf der Grenze zwischen (möglichem) Bild und (realer) Landschaft und verweisen im Verzicht auf ideologische und ästhetische Manifeste auf die Freiheit der Möglichkeiten und die Möglichkeiten von Freiheit.
Wir können die Werke lesen als einen Roman über die Möglichkeit der Verfügbarkeit von Bildern und deren Interpretation - und unseres Umgangs mit ihnen.
Im Remix der Bilder tauchen wir ein in unseren eigenen Wahrnehmungsprozess.




Vivien Baer, MA phil.

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